Der Zaubergarten benötigt ein update.
Grund dafür ist weniger der Garten denn die Gärtnerin.
Schon die letzten Jahre haben sich die Anzeichen dafür gehäuft, aber ich war blind. Obwohl ich sehend bin. Schließlich bin ich Fotografin.
Aber diese Blindheit ist eine andere. Ich konnte die Symptome nicht richtig deuten.
Es zeigte sich, dass ich nicht mehr in der Lage war, meine Ansprüche zu erfüllen.
Mir fehlte Zeit.
Zunächst nur ein bisschen. Ich konnte einiges von dem, was ich mir vorgenommen hatte, nicht mehr erledigen.
Irgendwie wurden die Tage immer kürzer. Das fand ich merkwürdig. Aber es war Fakt: ich konnte in 24 Stunden nicht mehr soviel bewältigen, wie zuvor.
Ich hatte mich zu entscheiden: schreibe ich zum Beispiel am Blog oder erledige ich meine Hausarbeit. Für beides fehlte mir plötzlich die Zeit.
Dachte ich.
Und dann der Garten.
Mähen, jäten, anpflanzen, kleine Korrekturen durchführen , planen, wieder mähen, Grasschnitt irgendwie entsorgen (irgendwann kann ich das viele Gras nicht mehr im eigenen Garten unterbringen), wieder jäten (Ackerwinde!!!!!!), mähen……
Mein Haushalt ist während der Gartensaison sowieso immer mehr vergammelt.Ich konnte nur eines haben: einen schönen Garten O D E R einen gepflegten Haushalt.
Ich habe meine Leidenschaften vernachlässigt: Schreiben, Fotografieren, Filzen (ich weiß schon garnicht mehr, wie Rohwolle aussieht).
Und dabei wurden mit jedem Jahr die Tage immer irgendwie kürzer. Ich fand das, physikalisch betrachtet, sehr geheimnisvoll und vor allem – lästig.
Meine Ansprüche blieben gleich:
ich wollte einen gepflegten Haushalt, einen wunderbaren Zaubergarten, meine Blogs mit Hingabe schreiben (ich hatte und habe so viele Ideen, die ich aber nur im Kopf ausformuliert habe), meine Fotokarten gestalten und zu alledem abends auf der Terrasse sitzen, entspannt und u n a n g e s t r e n g t, wie die tollen Frauen, die mir von überall her zulächeln (überall = Zeitschriften, Werbung, Filme, also absolut lebensnah) lesen, oder ein Glas Wein mit Freundinnen trinken, dabei humorvoll, geistreich und voller Esprit plaudern.
Die Realität war:
ich konnte entweder meinen Haushalt, die Blogs oder den Garten pflegen, mich dann abends komplett zerknittert auf die Terrasse setzen, ein Glas Wein trinken, um dann sofort in mein Bett zu entschwinden.
Das war unbefriedigend!
Ich ging zum Arzt, lies mein Blut analysieren, erwartete geheimnisvolle, kräftezehrende Mangelerscheinungen oder gar Krankheiten, welche diese Veränderung hätten erklären können.
Heraus kam: ich war voll fit. Super fit. Und absolut kerngesund. Zum Glück. Als mir mein Arzt dieses Ergebnis offenbarte, wurde er meiner Überraschung gewahr. Ich schilderte ihm mein Dilemma. Und dann erkannte ich, wenn auch unter großen seelischen Schmerzen, dass er ein weiser Mann sein muss.
Denn er sagte zu mir folgende Worte:
„Das ist das Alter. Das nennt man: die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Obwohl Sie für Ihr Alter wirklich sehr fit sind.“ Au!!!!!!
Ich war empört und beleidigt. Allerdings muss ich gestehen, dass ich damals (das war vor zwei Jahren) schon tief in mir drin gespürt habe, dass er Recht hatte. Ich wollte es nur nicht sehen. Und somit bin ich wieder bei der Blindheit angelangt.
Jetzt bin ich endlich bereit, es anzunehmen. Älter werden, heißt nicht, dass ich mich in eine senile Greisin verwandle. Zumindest nicht gleich zu Beginn. Und mit Glück auch später nicht. Aber es heißt, sich mit schwindenden Kräften zu arrangieren. Und entweder die Ansprüche herunter zu schrauben (wozu ich in keinster Weise bereit bin) oder Hilfstruppen zu mobilisieren, die mir einen Teil der Arbeit abnehmen.
Ich habe mich für die Hilfstruppen entschieden, was bedeutet, meinen Garten einem Gärtner und seinem Team anzuvertrauen. Er gärtnert auch wild und biologisch und ich freue mich über diese Partnerschaft.
Heute haben sie begonnen, die Versäumnisse der letzten beiden Jahre aufzuräumen. Mit viel Liebe und Herzblut. Ich finde es sehr schön, dass einzelne, winzige Pflänzchen, welche mir am Herzen liegen, sorgsam freigelegt (und nicht umgelegt) werden. Und dass die Männer außerordentlich achtsam mit den Pflanzen umgehen.
Morgen fotografiere ich den Garten. Diese Vergabe wird ein Prozess, der spannend und erfreulich zu werden verspricht.
Zu altern bedeutet für mich mittlerweile, gelassener zu sein, Kontrolle abgeben zu können und entspannter zu leben. Und zugeben zu können, dass ich nicht alles alleine schaffen kann. Aber es auch nicht muss.
Das ist wirklich befreiend.
Und falls es jemand interessieren sollte, ich bin 58 Jahre alt.